Was als soziales Statement auf den Straßen begann, ist mittlerweile vermehrt auch in den White Cube des Ausstellungsraumes eingezogen. Ein internationaler Trend, der auch an Wien nicht spurlos vorübergegangen ist. So ist auch hierzulande die Zahl der Ausstellungshäuser, Galerien, Kunstmessen, Festivals und Events, die sich in den letzten Jahren dem Werk von Street-Art-Künstlern angenommen haben (unter anderem auch durch das legale zur Verfügung stellen von Wänden), gestiegen. Zudem haben sich Archive und Bewegungen gebildet, die Graffiti und andere Spielarten der Street-Art weltweit dokumentieren.
Trotz steigender Wertschätzung sind viele Street-Art-Künstler, obwohl ihrer Werke in unserem Blickfeld ständig präsent sind, nach wie vor für die Kulturwelt unsichtbar. Ein Umstand, von dem auch die österreichische Street-Art-Künstlerin „Frau Isa“ ihr sprichwörtliches Liedchen singen kann. Die Anfang der 80er Jahre in Klagenfurt geborene Künstlerin zählt zu einer der bekanntesten ProtagonistInnen der österreichischen Szene. Für das Wien Museum hat sie gemeinsam mit dem österreichischen Graffiti-Artist und Begründer des „RABBIT EYE MOVEMENT (REM)“ Nychos eine Außenwand des Museums gestaltet.
„Take Over“, so lautet der Titel der Ausstellung, der in Großbuchstaben über den Eingangsbereich des Museums gesprayt wurde. Noch bis 1. September ist das Zwischennutzungprojekt im sich im Umbau befindlichen Haus am Karlsplatz zu sehen. Der Aufruf die Wände des Wien Museums als Leinwand zu nutzen erfolgte – gekommen um zu sprayen sind über 30 Künstlerinnen und Künstler. Eine kleine Auswahl an VertreterInnen einer boomenden Kunstrichtung, die trotz allem, aufgrund der Vorliebe vieler Protagonisten abgesperrte Orte zu betreten, nach wie vor oftmals mit Illegalität in Verbindung gebracht wird.
Von alten Hasen und aufstrebenden Küken
Rund 620 Namen hat Street-Art-Künstler und DJ „Phekt“ hier auf eine Wand geschrieben. So viele KünstlerInnen sollen in den vergangenen 25 Jahren kontinuierlich das Stadtbild künstlerisch mitgestaltet haben. Auch wenn die Ausstellung im Wien Museum gerade einmal einen Bruchteil jener Protagonisten erfasst – einen kleinen, feinen Überblick erhält man als BesucherIn trotzdem. So gibt es neben den Werken einer Reihe bekannter Namen wie Skero, Paul Busk oder Thomas Mock aka Keramik auch eine ganze Palette an Arbeiten junger Künstler am Anfang ihrer Karriere zu bestaunen. Darunter auch die Werke weiterer weiblicher Künstlerinnen. Beeindruckend erweist sich die Arbeit der 2018 gegründeten RIP OFF Crew. Ungewöhnlich auch die Keramik-Arbeit von Chinagirl Tile, die Frauen, die in der Street-Art Fuß fassen wollen sogleich den Rat mitgibt: „Bring a Dinosaur“. Etwas , das im Übrigen nach wie vor nicht unbedingt nur für Künstlerinnen im Bereich Street-Art gelten mag. Chinagirl Tile selbst studierte an der Akademie und ist damit nicht die einzige, die Arbeiten für den öffentlichen Raum gestaltet. Auch „Frau Isa“ weiß, neben einem Zuwachs von Frauen, mischen auch immer mehr AkademikerInnen in der Street-Art mit – als politisches oder soziales Statement hat die Street-Art auch mit ihrem Einzug in den Kunstmarkt jedoch noch lange nicht ausgedient. Neben dem Einbringen neuer Stilelemente wie beispielsweise aus der Malerei wird das Aufzeigen sozialer und gesellschaftlicher Missstände bei einigen Künstlern nach wie vor groß geschrieben. Mal humorvoll, mal zum Zweck der Verschönerung, mal gesellschaftskritisch (mal alles zusammen) gibt sich beispielsweise auch das Werk von „Tabby“, das auf Wiens Straßen seit 2013 anzutreffen ist.
Zum Denken anregt auch Olivier Hölzl aka LIVIL, der vor allem mit seinen Stencil-Arbeiten für Aufsehen sorgt. Im Wien Museum hat er eine Gruppe von Angehörigen der Arbeitergewerkschaft sowie Objekte aus der Sowjet-Vergangenheit in typischer Wimmelbildmanier an die Wand gebracht.
Fotografie und Skateboarding
Auch wenn diese LIVILs wie die anderen Werke in zwei Monaten den Renovierungsarbeiten weichen müssen, ganz verschwunden werden sie dennoch nicht sein. So hat sich in den letzten Jahren rund um die Street-Art eine Art dokumentarisches Foto-Kunstgenre etabliert. Zahlreiche Fotografien – wie jene der Gruppe „Die 78er. Institut für Stadterkundung Wien“, die sich zum Ziel gesetzt hat verborgene Ecken der Stadt zu erforschen und fotografisch kunstvoll in Szene zu setzten – oder die Aufnahmen von Herbalizer konservieren die Kunstwerke, wenn schon nicht für die Ewigkeit, so doch für nachfolgende Generationen. Dass diese mitunter einiges an Forschungsmaterial haben werden, zeigt „Spraycity“. An die 200.000 Fotos hat Kunsthistoriker Stefan Wogrin mittlerweile in seinem Archiv. Eine kleine Auswahl davon wird ergänzend zur so genannten „Hall of Fame“ im ersten Stock des Wien Museums präsentiert.
Nicht die einzigen Fotografien, die über den Sommer im Haus zu finden sind. Im Rahmen des Skateparks, der im Erdgeschoß von der Initiative Spoff errichtet wurde, finden sich Aufnahmen aus der Welt der Skater. Eine Szene, die mit der Street-Art einiges an Gemeinsamkeiten aufweisen kann, wie Wiens Skater der ersten Stunde (OA Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. med.) Hans-Peter Hutter zu berichten weiß. Beide nutzen städtische Strukturen und passen diese mitunter ihren kreativen Vorstellungen an. Der temporäre Skatepark steht von Donnerstag bis Sonntag zur Nutzung bereit. Eine Wand lädt zudem weitere Street-Art-KünstlerInnen ein gestalterisch tätig zu werden und so wird sich im Wien Museum nicht zuletzt auch dank einer Kooperation mit dem Festival „Calle libre“ (die sechste Ausgabe des Festivals findet heuer von 3. bis 10. August statt) bis September noch einiges verändern.
Takeover
Street Art & Skateboarding
Noch bis 1. September 2019
Öffnungszeiten: Donnerstag bis Sonntag und Feiertag: 14.00 bis 22.00 Uhr
Eintritt frei!
www.wienmuseum.at
Das Tietelbild zeigt eine Arbeit von Deadbeat Hero
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